Die Deutung des Opferfestes

         

 

Zur Deutung des Opferfests

Die religiösen Ursprünge dieses Festes gehen auf das sowohl in der Bibel als auch im Koran erwähnte abrahamitische Opfer zurück. In der Person des Patriarchen begegnen sich alle drei Offenbarungsreligionen: Judentum, Christentum und Islam.

Ibrahim oder Abraham war nach dem Koran ein hanif, d. h. ein reiner Monotheist. In der islamischen Tradition wird ihm daher ein Ehrenplatz eingeräumt. Das zentrale Ereignis im Islam ist die Offenbarung. In ihr — nicht in der Person des Religionsverkünders — begegnen sich Gott und Mensch.

Ibrahim (as) war ein besonders verdienstvoller Offenbarungsträger, da er auf Geheiß Gottes einer inhumanen und archaischen Tradition ein Ende setzt. Er hat den Götzendienst bezwungen, den Glauben an einen Gott wiederhergestellt und dem bis damals noch vorkommenden Menschenopfer eine klare Absage erteilt.

Zwar hat er — wie alle anderen Propheten vor und nach ihm — gelehrt, dass die Hingabe an Gott auch eine hohe Opferbereitschaft erfordere, doch bedürfe diese nicht des Blutvergießens unter den Menschen. Statt dessen sei etwas vom persönlichen Hab und Gut und von der eigenen Bequemlichkeit zu opfern. Auch das Selbstopfer sei noch tragbar. Unter keinen Umständen gebe es aber eine Sühne durch die Opferung eines Anderen stellvertretend für sich selbst. Diese Lehre stellt einen gewaltigen Umbruch der althergebrachten Denkweisen dar.

Durch die Verehrung Ibrahims sehen sich Juden, Christen und Muslime in einem geistigen Bund vereint. Deshalb hat das Opferfest der Muslime auch eine gewisse ökumenische Dimension. Seine völkerverbindende Rolle steht außer Zweifel: In Mekka finden beim Hadsch in jedem Jahr viele Rassen und Nationen zusammen.

(Quelle: Smail Balic: Ruf vom Minarett. Hamburg: Rissen 1984, S. 172.)